Farb(t)räume im Künstlerbund Speyer
In der Ausstellung „Farb(t)räume“ zeigt der Künstlerbund Speyer Positionen zweier Künstlerpersönlichkeiten, in deren Werk die Farbe eine zentrale Bedeutung einnimmt.
Begrüßung
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde des Künstlerbundes,
ganz herzlich darf ich Sie zu unserer ersten Ausstellung in diesem Jahr begrüßen.
(…)
Zunächst bedanke ich mich bei unseren Sponsoren,
– der Kulturstiftung Speyer, aus Mitteln der Dr.-Heinz-Danner-Stiftung
– der Sparkasse Vorderpfalz
– den Stadtwerken Speyer
– der Einhorn-Apotheke
– der VR-Bank Kur- und Rheinpfalz
– der Basler Versicherung Holger Daubner,
die mit ihren Beiträgen unsere kulturelle Arbeit finanziell unterstützen. Herzlichen Dank!
(…)
Zu unserer heutigen Ausstellung ein paar Fakten zu den Künstlern:
Die in Dahn geborene Regina Reim, die ihr Atelier in Speyer hat, ist Ihnen sicher keine Unbekannte: Unglaublich aktiv, hat sie seit 1989 eine Reihe von Einzel- und Gruppenausstellungen, hauptsächlich in Deutschland absolviert, ist jedes Jahr bei den sog. „Offenen Ateliers“ präsent und schafft es zur Zeit gleichzeitig an 2 Orten mit Ausstellungen zu glänzen, hier und im Strieffler-Haus in Landau. Sie kann zudem mit Stolz auf mehrere Kunstpreis-Nominierungen zurückblicken.
Thomas Mann, in Ludwigshafen geboren, lebt in Schifferstadt und Speyer.
Bis 2016 war er Art Director einer Mannheimer Werbeagentur, zuvor, in Ludwigshafen, Worms und Leimen an konzeptuellen Ausstellungen beteiligt. 2018 hatte er seine erste Ausstellung hier im Künstlerbund mit dem Titel: „Zauberwerk“, wurde daraufhin Mitglied und im selben Jahr 2. Vorsitzender des Künstlerbundes Speyer. Seitdem ist er aktiv an allen Ausstellungen des Künstlerbundes beteiligt.
Fotos: Thomas Mann
AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG REGINA REIM / THOMAS MANN
KÜNSTLERBUND SPEYER am 13.03.2020
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Künstlerinnen und Künstler,
herzlich Willkommen auch von meiner Seite. Ich möchte Ihnen jetzt die Werke der beiden Künstler vorstellen.
Regina Reim: geb. 1965, Studium Freie Malerei in Mainz
Thomas Mann: geb. 1957, Grafiker (hat Regina Reim eingeladen, als 2. Vorsitzender des Künstlerbunds Speyer)
Beide Künstler verdanken in ihrer Malerei viel der Vergangenheit, aber das ist ja klar, wir alle sind geprägt durch unsere Vorfahren, ich möchte jetzt auch nicht ihr Werk schmälern, sondern nur darauf aufmerksam machen, woher sie kommen. Regina Reim verdankt viel dem deutschen Informel, etwa K. O. Götz, der großen Geste, dem abrupten Ausbruch, wir wissen aus den Erzählungen großer Künstler, dass der richtige Moment entscheidend ist, in dem man die Farbe ausbrechen lässt.
- O. Götz (1914-2017) ging ab 1932 auf die Kunstgewerbeschule in Aachen und schuf ab 1933 abstrakte Werke, die aber leider im Krieg zerstört wurden. In der NS-Zeit hatte er zwar Mal- und Ausstellungsverbot, malte aber heimlich weiter und wurde irgendwann Luftwaffenoffizier. Er kannte über seine Galerie in Dresden viele Künstler, mit denen er auch in Kontakt blieb. Seine nach dem Krieg, ab 1949/1950 persönlichen Kontakte nach Frankreich ließen ihn schnell zu einem der wichtigsten Mittler zwischen der deutschen und der französischen Kunstszene werden. Ab 1951 entstanden Werke, in der von Jackson Pollock begründeten All-over Structure, aber auch Arbeiten, in denen die informellen Formelemente, zentriert oder diagonal, energiegeladene Mittelpunkte bilden.
Interessanterweise lässt sich auch Thomas Manns Werk, das ja sehr viel der CoBra Gruppe verdankt, Paris zuordnen: Dort waren 1948 die belgischen, niederländischen und dänischen Künstler aktiv, die die sog. CoBra Gruppe bildeten: Asger Jorn, Constant, Karel Appel und Corneille. Die Gruppe war durch eine Ausstellung in Paris auf K. O. Götz aufmerksam geworden, so dass auch er Mitglied von CoBra wurde und bis 1951 als einziges deutsches Mitglied in der Formation blieb. Götz gab auch fünf Jahre lang die Zeitschrift META (von Metamorphose) heraus, die Bildende Kunst und Lyrik miteinander verschmolz.
Aber kommen wir jetzt zu den Werken hier:
Hier im Raum sehen Sie Werke von Regina Reim, zu meiner großen Freude alle Variationen ihrer derzeitigen Arbeit, obgleich sie ja gerade noch eine große Ausstellung im Strieffler Haus in Landau hat.
Das bedeutet einerseits große Leinwände mit ihren Cutouts (aus Papier ausgeschnittenen Formen), die in der Ecke als allerliebste schwebende dreidimensional aufgefasste Gebilde zu sehen sind, zudem kleinere Cutouts auf Papier, aber in Kastenrahmen gepackt, damit das Dreidimensionale erhalten bleibt. Ihr Bildentwürfe erinnern an das Informel, aber alles ist sehr viel filigraner. Sozusagen eine katapultierende Farbschleuder in Zart. Das Besondere ist ja auch, dass es sich hierbei um Farbradierungen handelt, die die Künstlerin mit dem Skalpell ausschneidet. Das ist sehr ungewöhnlich und nie gesehen, weil sie diese Cutouts auch auf grundierte Leinwände legt. Regina Reim arbeitet schon länger mit den gestischen, informellen Formen, aber früher so, wie wir es gewohnt sind, mit dem Pinsel und Farbe aufgetragen, der lebendigen Geste, die man sich wie bei K. O. Götz vorstellen kann. Aber dass sie seit einiger Zeit diese Geste quasi abbildet, nachbildet mit ihren ausgeschnittenen Spuren, das ist schon sehr ungewöhnlich.
Generell hat mich der Vorgang als solcher erinnert an einen Künstler, der 2004 in der Kunsthalle Mannheim in der Ausstellung „Direkte Malerei“ unter Rolf Lauter gezeigt wurde, ein britischer Künstler namens Glenn Brown, der sehr pastos wirkende Gemälde präsentierte, die bei näherer Betrachtung aber ganz fein lasierend gemalt waren, deren Pastosität also nur vorgetäuscht war, die Pastosität also absichtlich illusionistisch hergestellt. Sehr raffiniert war das, daran musste ich jetzt denken, bei der Verve von Regina Reims informellen Formen. Sprich auch er täuschte einen Aggregatszustand der Malerei vor, den er nicht einlöste. Ähnlich ist es bei Regina Reim, deren abstrakte, pastos scheinende Spuren aus Papier gebildet sind! Sprich sie bildet die Pastosität illusionistisch und abstrakt nach.
In der Raumecke hier scheinen sich so unbekannte, farbenfrohe Insekten zu tummeln, die sich erst bei scharfem Blick als papierne Wesen entpuppen, die aber umso lebhafter unterwegs sind. Wie tanzende Elfenwesen scheinen sie oft, aber wir Menschen wollen ja das Wesenhafte erkennen, so ist unser Gehirn ausgebildet.
Kommen wir zu Thomas Mann. Er hat seinen Stil wieder etwas geändert, waren es zuvor häufig abstrakte Formen, so sind sie heute eindeutig figurativ.
Ich erwähnte ja schon die Gruppe CoBra, an der er sich orientiert: Asger Jorn, Constant, Karel Appel und Corneille und viele andere mehr. Der Name geht auf die Anfangsbuchstaben der Städte Kopenhagen, Brüssel und Amsterdam zurück, woher die Gründungsmitglieder kamen. Die namentliche Ähnlichkeit zur Giftschlange Kobra gefiel ihnen sehr, der Namen sollte ihre Progressivität verdeutlichen, gegen gesellschaftliche Normen und akademischen Zugang verstoßend. Ihre Bilder sollten spontan entstehen und die Abkehr von jeglicher überlieferter Ästhetikvorstellung vermitteln. Ihre Kunst gefiel dem Publikum nicht, zum Teil wurden Ausstellungseröffnungen (z. B. in Lüttich) kritisiert oder führten zu Tumulten, z. B. wurde 1949 bei der Enthüllung eines Wandgemäldes in der Kantine des Amsterdamer Stadthauses zu so starken Protesten in der Bevölkerung, dass das Kunstwerk erst zehn Jahre später der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. 1951 wurde CoBra wieder aufgelöst. Es wirkten die von Jean Dubuffet definierte naive Art Brut, die primitive Kunst und die nordische Volkskunst. Vor diesem Hintergrund sind der für das Informel und den Tachismus typische vitale Impuls wichtig, der häufig pastos geschichtete Farbauftrag, das oftmals kräftig leuchtende Kolorit und die generelle Vorrangstellung des Malerischen vor der Zeichnung, das sind die formalen Charakteristika der Werke der „CoBrA“-Künstler.
Bei Thomas Mann ist im Gegensatz dazu die Basis aber immer ein Aquarell, das er malt, mit meistens deutlich erkennbaren Spuren von Wesen, Mischwesen, Tieren oder auch mal kleinen Monstern. Diese Wesen wirken mal kindlich, mal abstrus und sind sehr der Art Brut verwandt, der Kunst von „Geisteskranken“ oder behinderten oder gehandicapten Menschen. Lebendig, auch zugänglich, lustig. Zugleich erinnert es aber auch an mittelalterliche Buchmalerei, in der die Monster sehr aktiv waren, nicht nur zweidimensional, denken Sie etwa an die Wasserspeier an den Kathedralen.
So kommt es zu Monstern mit bleckenden Riesenzähnen, comicartigen Geschöpfen, die keiner kennt, lustigen Krabben oder Käfern, geflügeltem oder gehörntem Getier, aber auch Schlangenwesen oder Sauriern. Es existiert in seinem Universum eine Königsratte mit lieblicher Krone auf dem mit Schnurrhaaren besetzten Kopf, die sogar noch Flügel hat, aber auch richtig traurige Mischwesen aus Vogel und Pferd. Selten wird damit die Mythologie angesprochen, häufiger das Kind in uns und Manns große Liebe zu den Farben. Aber es gibt auch Indianer und Wildkatzen, Inkawesen und spitzköpfige Menschen. Sie sehen schon: sehr originell und gleichzeitig lieblich, gruselig und kindlich.
Bei näherer Betrachtung sehen Sie die Pixel, z. T. stark vergrößert, als wollte uns Thomas Mann darauf hinweisen, dass eigentlich alles, was wir sehen das Abbild des Abbildes, die Kopie der Kopie ist. Kurioserweise sind die Fotos seiner Aquarelle mit der Handy- Kamera aufgenommen und wurden immer weiter am PC verfremdet.
Das Nichtakademische, das Widerständige, gepaart mit dem Farbklang macht seine Arbeit aus. Dazu gehört etwa auch, dass er seine Motive auf eine Lkw-Plane drucken lässt. Freiheit, Mut und Ich-pfeif-auf-die-Meinung-anderer stecken da dahinter.
Sprich, für beide Künstler gilt: Nichts ist, wie es scheint! Hatte man bei Regina Reim das Gefühl, eigentlich handle es sich um Farbspritzer heftiger Malerei, sind es doch Stücke aus ihren Farbradierungen und bei Thomas Mann sieht man nicht, dass seine Basis Aquarelle sind.
Zu jedem Künstler gibt’s jetzt noch ein Zitat:
zu Regina Reim
Francis Bacon (1909-1992)
„In meinem Fall ist die gesamte Malerei – und je älter ich werde, desto mehr ist das so – Zufall. So sehe ich sie im Geiste voraus, ich sehe sie voraus, und dennoch führe ich sie kaum jemals so aus, wie ich sie voraussehe. Sie verändert sich selbst durch die tatsächliche Farbe. Ich verwende sehr große Pinsel, und durch die Art und Weise, wie ich arbeite, weiß ich in der Tat sehr oft nicht, was die Farbe tun wird, und sie tut vieles, was sehr viel besser ist als das, wozu ich sie bringen könnte. Ist dies Zufall? Vielleicht könnte man sagen, es ist kein Zufall, weil es ein Auswahlverfahren wird, welchen Bestandteil des Zufalls man wählt, um ihn zu erhalten. Man versucht natürlich dauernd, die Vitalität des Zufalls zu bewahren und dennoch eine Kontinuität zu erhalten.“
zu Thomas Mann
Jean Dubuffet:
der große Theoretiker & Praktiker der Art Brut:
„Die Malerei arbeitet mit Zeichen, die nicht abstrakt und unkörperlich sind wie Wörter. Die Zeichen der Malerei sind den Gegenständen selbst sehr viel näher. Darüberhinaus manipuliert die Malerei Materialien, die selbst wiederum lebende Substanzen sind. Deshalb erlaubt sie es uns (die Malerei), in der Annäherung an Dinge und deren Beschwörung viel weiter zu gehen, als Worte dies tun.“
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und viel Vergnügen beim Betrachten der Kunst.
© Dr. Susanne Kaeppele
Fotos der Ausstellung: © Reinhard Ader
Regina Reim
Regina Reim zeigt ihre aktuellen Arbeiten, in denen sie die Möglichkeiten zwischen Collage und Malerei auslotet und erkundet. Aus Cutouts und Malerei lässt sie auf der Leinwand faszinierende Strukturen entstehen, mit tänzerischer Leichtigkeit vom Zweidimensionalen ins Dreidimensionale wachsend. Regina Reim eröffnet der Fantasie neue Räume, dynamisch und meditativ zugleich. Augenzwinkernd lädt sie ein, in ihren Collagen auf Entdeckungsreise zu gehen, ihrem Tanz der Formen und Farben zu folgen.
Thomas Mann
Expressive Farb-Power, die gekonnt Figuration und Abstraktion miteinander verbindet, zeichnet die Arbeiten von Thomas Mann aus. Mit Pinsel und PC entstehen aus Pigment und Pixel kraftvolle Media-Mix-Kompositionen, welche die künstlerische Verspieltheit und Experimentierfreudigkeit der Avantgarde-Künstler der CoBrA-Gruppe aus ihrer 70-jährigen Vergangenheit ins 21ste Jahrhundert holt. Er stellt seine spontan entstehenden Bilder provokativ einer geplanten, aus Wissen geborenen Ästhetik gegenüber, um Polarisierung und Emotion zu erzeugen. Die skurrilen Geschöpfe aus dem Unterbewusstsein des Künstlers sollen den Betrachter dazu anregen, ihre oft vernachlässigte eigene Kreativität zu reaktivieren, um die Bilder mit ganz individueller Assoziation und Fantasie zu vervollkommnen. Wie sagte schon Albert Einstein: Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt. Fantasie aber umfasst die ganze Welt.