Ausstellung 35 Jahre Künstlerbund
v.l.n.r.: Matthias Schöner, Luisa Schmeisser, Margarete Stern, Gisela Desuki, Tom Bußjäger, Nina Bußjäger, Reinhard Ader, Thomas Mann, Arnold Wühl, Magdalena Hochgesang, Eberhard Spitzer, Georg Karbach, Stefan Becker, Kurt Keller.
Fotos: © Reinhard Ader
Kult(o)urnacht 2019
Fotos: © Margarete Stern, Reinhard Ader, Thomas Mann
Einführung zur Ausstellung „35 Jahre Künstlerbund“ (Auszug):
Zur Geschichte des Künstlerbundes ist schon eine Menge gesagt und geschrieben worden. Ich selbst greife immer wieder gerne auf die von Mike Lauter erstellte und gestaltete Dokumentation anlässlich des 30-jährigen Jubiläums zurück, um mir das Ein- oder Andere wieder ins Bewusstsein zurückzuholen.
Der Künstlerbund, der 1984 von 14 Mitgliedern gegründet wurde – die Gründungsversammlung war am 19. Juni 1984 im Rabennest – ist inzwischen auf 34 Mitglieder angewachsen. (…)
In der heutigen Ausstellung sehen Sie Werke von 22 Künstlern:
Reinhard Ader, Christoph Anschütz, Stefan Becker, Nina Bußjäger, Thomas Bußjäger, Gisela Desuki, Thomas Duttenhoefer, Fred Feuerstein, Moritz Feuerstein, Magdalena Hochgesang, Georg Karbach, Kurt Keller, Bertram Koser, Susanne Lorenz, Thomas Mann, Markus Münzer, Luisa Schmeisser, Matthias Schöner, Eberhard Spitzer, Margarete Stern, Christine Weinmüller und Arnold Wühl.
Die Einen haben in diesen 35 Jahren die Höhen und Tiefen des Vereins miterlebt, andere schnuppern das Odeur des Künstlerbundes seit einem Jahr, aber alle Künstlerinnen und Künstler haben den Mut, stellen sich mit ihrem Werk der Öffentlichkeit, gehen thematisch und stilistisch an ihre Grenzen, erleben mit ihrem Werk, im Werden ihres Arbeitens Höhen und Tiefen.
Jeder, auf seine Art und Weise, versucht sich und die Welt mit seinem Werk – wie soll ich sagen? – in Einklang zu bringen – in eine Art „spiegelbildliche Erinnerung“ zu setzen.
Die Befragung des Künstlers an sich selbst und an die ihn umgebende Welt ist es, was die Qualität ausmacht!
Es macht mich daher regelrecht wütend, wenn ich mir diesen teilweise degenerierten Kunstmarkt betrachte, wo Millionen für ein einzelnes Werk eines verstorbenen Künstlers über den Ladentisch gehen – das dann in einem Hochsicherheitstresor verschwindet – , oder wo „Kunst“ nur dann als „Große Kunst“ anerkannt wird, wenn der Künstler sich in einer Großstadt bzw. Metropole aufhält, während der bauernlümmelnde Künstler aus der „Provinz“ leer ausgeht!
Dabei, das ist meine feste Überzeugung, ist die Qualität eines bauernlümmelnden Künstlers aus der Provinz meist mindestens so gut, wie das eines hochgeputschten devisenspekulationsabhängigen Werkes.
Glauben Sie mir! Ich bin so wütend, weil dort draußen in den Versteigerungshallen des Kunstmarktes ganz locker – mit einem süßen Lächeln – Tausende bar auf die Kralle gezahlt werden, während wir meist, mit einem ebenso süßen Lächeln bedacht, leer ausgehen.
Jeder Kunstinteressierte soll sich dieser unerhörten Diskrepanz bewusst sein!
Lassen Sie mich ein Beispiel, eine Parabel erzählen:
Ich habe zu Hause einen Staubsaugerroboter, der mir ab und zu die Wohnung saugt. Aber er hat seine Grenzen: Letztens hat sich vor ihm der Teppich aufgewölbt – zugegebenermaßen aus eigenem Verschulden – so dass es ihm trotz verzweifelter Versuche nicht möglich war, dieses Hindernis, das er sich selbst geschaffen hatte, zu überwinden.
Da er mir in dieser ausweglosen Situation Leid tat, habe ich etwas „Gott“ gespielt und den Teppich mit dem Fuß platt gedrückt. So konnte mein Roboter dann weiterarbeiten. Andernfalls hätte er sich bis zum Leerlaufen des Akkus im Kreis gedreht!
Was will ich damit sagen?
Ganz lapidar: Die Arbeit des Künstlers braucht Aufmerksamkeit und Beobachtung! Man muss ihn fördern, ansonsten geht er buchstäblich zugrunde, weil irgendwann der Akku leer ist.
Sehen Sie sich die hier ausgestellten Werke genau an!
„Genau“ heißt: Wenn Sie Ihre eigene Lebensgeschichte mitbringen, werden Sie wahrnehmen, wie verzahnt Ihr Leben mit dem des Künstlers ist. Der Unterschied liegt darin, dass der Künstler etwas verbildlicht, was Ihnen irgendwie, irgendwo, irgendwann im Kopf rumspukt, sich in Ihren Träumen manifestiert oder Sie nicht recht loslassen will.
Gleich, ob es sich um ein Werk aus Eisen handelt, das sich mit antiken Erzählungen beschäftigt oder einer Malerei auf Hartfaserplatte – Analemma, einer Umschreibung einer bestimmten Gegebenheit, einer Situation, oder einer Fotografie auf Aludibond, die die eigene Existenz visualisiert –
wir sehen uns mit Werken konfrontiert, denen gegenüber wir uns öffnen müssen, um uns selbst zu verstehen, indem wir in unsere Gedanken, in unsere Träume oder realistischen Erfahrungen hineinhören und hineinsehen.
Sicher können wir nicht alles haben, was wir wollen – auch wenn es uns noch so freigiebig dargeboten scheint.
Wir müssen uns den Sinn erarbeiten!
Hinter jeder scheinbaren Sinn-Losigkeit, – etwas, das wir ablehnen, nicht „wahr“ – haben wollen -, kann scheinbar Unmögliches in den Bereich der Realität driften:
Was erfahre ich über den dargestellten Menschen? Was über seine Situation, seine Umgebung? Finde ich mich dort wieder?
Zitat Rio Reiser, aus seinem Lied „Junimond“: „… und alles bleibt stumm. Und kein Sturm kommt auf…“
Es ist wichtig, dass Stürme in Ihnen aufkommen, Sie sich dem Geschehen auf Leinwand, Fotografie oder Objekt aussetzen, wichtig, dass Sie Erwartungen haben. – Wenn nicht, werden Sie blind, stumm und taub!
Tout seul – ganz alleine – setze ich mich den Formen und Strukturen, den Mustern aus. Verfolge den Schwung ihrer Formen, lass mich gefangen nehmen in diesem Gespinst der Konvention.
Die Sehnsucht kann vielfältig sein, wie ein stummer Film – und dann finde ich mich in einem Raum wieder, dessen expressiv- dunkle Wucht mich zu erdrücken scheint.
Der eherne Stier, der friedliebende Hund, der geile Gockel – Synonyme für Spiegelungen, die sich unter Helmen verbergen – und wir uns fragen: Was erwartet uns hinter den Dingen? Ein Sturm? Ein Kommando? Ein Sonnenaufgang?
Wie umschreibt der Künstler eine Szenerie, die er nicht mit Worten ausdrücken kann oder will? Lässt uns mit unseren existentiellen Sehnsüchten und dem Rätsel der Wasserspiegelung zurück, in Erwartung dessen, dass wir hoffen, doch nicht ganz alleine zu sein.
Sie können nicht alles haben, was Sie wollen, liebe Gäste – Sie können aber versuchen, der Erwartung des Sturms in Ihrem Inneren zu begegnen.
Reinhard Ader, Juni 2019