Bertram Koser | Objets trouvés
Film © Michael Lauter | 2023
Schon der Titel des Videoclips lässt vermuten: Koser liebt die französische Sprache. In Südfrankreich verbrachte er viele Jahre seinen Urlaub, wo er das „savoir vivre” der Franzosen kennenlernte und bewunderte.
Er lebt in Ubstadt-Weiher, einem beschaulichen Ort im Kraichgau in Baden-Württemberg. Dort in seinem Atelier entstanden auch die Bilder mit den Titeln: „Im Land der Gallier”, “Terre”, “Moulin paillas”, “Guerre”, die ebenfalls auf seine Sympathie zu unserem französischen Nachbar verweisen. Damals hat ihn die natürliche Farbigkeit von Steinen und Erden der Provence so beeindruckt, dass er eine Pigmentmühle bauen ließ und die dort geborgenen und gesammelten Materialien zu Pigmentmehl verarbeitete. Diese Pigmente, aber auch Asche und Rost sind bis heute seine bevorzugten Basics, die er dann mit Kasein oder Acryl bindet. Synthetische Farben benutzt er nur selten. Durch die naturnahen Farben entbehren seine Bilder einer intensiven Farbigkeit. Nicht die Farbe ist dominant, sondern das Meditative, das in einen Geheimniszustand entrückte Unbekannte, das sich zwischen den Dingfragmenten verbirgt.
Die Malerei Kosers ist weitgehend ungegenständlich. Seine Kunst ist geprägt durch den Dualismus zwischen Form und Formauflösung, Notwendigkeit und Zufall, Ordnung und Chaos, die seit mythischer Vorzeit immer wieder in Nachbarschaft gebracht werden und im Grunde genommen eine Einheit bilden. Die Oberflächen sind deshalb rissig, teilweise aufgebrochen, aber auch glatt und strukturiert. Beim schöpferischen Prozess spielt das Material eine entscheidende Rolle. Sowohl bei der Herstellung der Farbmixturen, als auch bei der Applikation von Fundstücken vertraut er auf dessen suggestive Wirkung. Diese Fundstücke sind für ihn eine wichtige Inspirationsquelle und überspannen ein breites Spektrum, das von Metallen, Papier, Leder bis hin zu organischen Stoffen wie Bitumen und Schilf reicht.
Koser studierte Mathematik, Physik und Philosophie. Auf der Suche nach der Wirklichkeit wurden ihm die Grenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnis bewusst. Er war überzeugt, jenseits der Naturwissenschaften in der Kunst das zu finden, das seiner philosophischen Neugier entgegenkommt, sogar erfüllen könnte. Er beschäftigte sich mit Metaphysik und begann mit Materialien zu experimentieren. Die Zweidimensionalität der klassischen Malerei empfand er als künstlerische Beschränkung. Seine Werkzeuge zur Strukturierung seiner Bilder waren nicht Pinsel und Palette, sondern reichten von der Lötflamme über Spachtel und Schwamm bis hin zur Kelle. Beim Bild “Guerre” z.B wurden mit Hilfe eines Gasbrenners Ockerpigmente aus Roussillon in das vorhandene Bitumen eingebrannt und verschmolzen dort zu einer Bildoberfläche, die ein sphärisches Licht ausstrahlt. Durch die Applikation von Fundstücken entstanden Bilder, die als Bildobjekte in den Raum hineinwuchsen, wie ”Es”, “Gravis” und “Gequälte Erde”. Sie konfrontieren uns mit den Abgründen menschlichen Tuns und Handelns, wie Hass, Krieg und Umweltzerstörung. Es ist nicht nur die Gelassenheit und das “Savoir Vivre” der Franzosen, das er thematisiert, sondern auch tiefgründige philosophische Fragen.
Mit den Bildobjekten “Quadrate im Raum” und “Zeitreise” versucht er einen Brückenschlag zwischen den im Laufe des 20 Jahrhunderts gewonnenen umwälzenden wissenschaftlichen Erkenntnissen über Raum und Zeit und dem bis dato üblichen Umgang mit dem Thema Raum und Zeit in der Malerei. Die Mannheimer Kunsthistorikerin Dr. Hauser-Suida beruft sich auf C.G. Jung und attestiert ihnen aufgrund ihrer quadratischen Form eine “Archetypische Gestalt“, die den Bildern zusätzlich eine meditative Kraft verleiht. Kosers Gedankenwelt ist also vielseitig, durch seine Bilder lässt er uns an ihr teilhaben.